Geld gemeinsam gestalten – mit Ernestin Friedrich
Geld gemeinsam gestalten – mit Ernestin Friedrich
Ernestin Friedrich ist seit 2018 Mitglied in der Genossenschaft für Gemeinwohl. Sie war Kindergarten- und Hortpädagogin, bevor sie vor 28 Jahren die Grinberg-Methode entdeckte und Praktikerin wurde. Diese Berufung übt sie auch heute noch, obwohl inzwischen pensioniert, mit großem Enthusiasmus aus. Seit April lebt Ernestin in der „Auenweide“, einem Gemeinschaftswohnprojekt in St. Andrä-Wördern in Niederösterreich. Ein Teil der Auenweide wurde über einen Vermögenspool finanziert. Im Gespräch mit Anna Erber erzählt Ernestin mehr darüber!
Liebe Ernestin, was bedeutet Geld für dich?
Ich denke mir, Geld und Gemeinwohl ist etwas Relatives. Man braucht nicht unbedingt viel Geld um sich wohl zu fühlen, und dennoch leben wir in einer Welt, wo wir ganz ohne Geld nicht leben können. Es ist nicht lustig, ständig jeden Euro umdrehen zu müssen bevor man ihn ausgibt. Oder wenn man sich Dinge, die einem wirklich wichtig sind, nicht leisten kann. Und dann gibt’s halt diese Unterschiede – es gibt Menschen, die glauben, viel mehr zu brauchen um sich wohlfühlen zu können als andere ...
Was ist Gemeinwohl für dich?
Gemeinwohl bedeutet, aufeinander zu schauen. Dass es uns allen gut geht. Auch wenn es uns allen vom Materiellen her wohl nie exakt gleich gut gehen wird – alle Menschen sollten ein Mindestmaß gedeckt haben. Da hatten wir auch hier Themen mit „leistbarem Wohnen“.
Hier, d.h. in eurem Gemeinschaftswohnprojekt, der Auenweide. War es eine ungewohnte Situation, in einer Gemeinschaft darüber zu reden?
Es war nicht immer einfach. Aber wir mussten darüber reden, unser Mitspracherecht nutzen, um Verantwortung mittragen zu können. Es ist so, dass wir einen Kredit laufen haben, und auch wenn jemand aus dem Vermögenspool etwas heraus nimmt, müssen wir die Inflationsrate dazu zahlen. Und die Betriebskosten für die Gemeinschaftsflächen – das muss einfach von den Bewohner*innen finanziert werden. Die Betriebskosten sind bislang nur geschätzt. Unsere Photovoltaikanlagen funktionieren noch nicht ... Also es gibt einige Unklarheiten. Da ist es schwer einzusehen, dass die einen wenig zahlen müssen und die anderen viel. Jemand hier hat den Ausspruch getan: Sozial zu sein muss man sich auch leisten können. Da ist was dran – ich hätte auch keine Freude, wenn ich zwei oder drei Euro pro Quadratmeter mehr zahlen müsste. Das täte mir weh. Wenn die, die weniger haben, so wenig zahlen würden, dass für die, die mehr haben, die Zahlungen auch zu hoch werden.
Wie bist du zur Auenweide gekommen?
Eigentlich wollte ich in meiner Jugendzeit schon in ein Gemeinschaftswohnprojekt. Aber das ist – zumindest gedanklich – immer am Geld gescheitert, und ich habe auch keine Leute gekannt, die in ein Gemeinschaftswohnprojekt wollten. Viele meiner Freundinnen wollen einfach ihre Ruhe oder fürchten Auseinandersetzungen.
Sieht niemand das Positive, das Gemeinschaftswohnprojekte bringen – nämlich Gemeinschaft?
Viele sagen, Gemeinschaft will ich mir selbst aussuchen – mit meinem Freundeskreis, den ich hab. Auch wenn der weiter weg ist. Es kommt auch darauf an, welche Erfahrungen man mit Gemeinschaft hat, oder auch welche Vision: Wenn ich mir vorstelle, dass ich mich mit den Leuten gut verstehe – auch wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt – dann funktioniert es natürlich besser, als wenn ich mir von vornherein denke, „da gibt’s nur Konflikte“, oder wenn ich sehr fixe Vorstellungen davon habe, wie es sein soll.
Wie ich hier eingestiegen bin, war vieles bereits bestimmt. Ich konnte zwar auch noch mitbestimmen, aber vieles war schon da. Ich war davor selbst schon bei einem Haus-Umbau dabei und weiß, dass nicht immer alles geht, was man will. Sei es aus technischen oder finanziellen Gründen, oder wegen der Bauvorschriften ... Ich bin hier jetzt seit drei Jahren dabei, die anderen viereinhalb Jahre – den Atem muss man einmal haben! Und ich bin froh, nicht eins der Zugpferde gewesen zu sein. Also der Markus Spitzer und ein paar andere, was die „gehackelt“ haben zum Schluss beim Selbstbau, damit wir einziehen können ... Das war gigantisch. Markus hat gesagt, wenn wir ein Monat später einziehen, geht uns die Monatsmiete von allen verloren, das ist so viel Geld! Das bringts nicht, wir brauchen das! Und er hat immer wieder motivierend ausgeschrieben, und ist selbst hier auf der Baustelle gestanden. Da gehört schon sehr viel dazu.
Wie steht die Vision der Auenweide im Verhältnis zum Gemeinwohl? Ich meine, nicht nur zum Gemeinwohl der Leute, die hier leben?
Die Ökologie war uns ganz wichtig. Die Gebäude sollten haltbar sein, und wenn sie wirklich mal so alt sind, dass sie weg müssen, sollten sie so wenig ökologisch schädliche Stoffe wie möglich bergen. Nur die Tiefgarage ist uns nicht gelungen abzuwenden, weil gesetzlich pro Wohneinheit eineinhalb Parkplätze gebaut werden müssen. Ob wir wenig Autos haben und auch keine wollen, ob wir Carsharing machen – das interessiert leider niemanden!
Um zum Thema Geld zurückzukommen – magst du mehr über den Vermögenspool erzählen, z.B. wie hoch da der Anteil an den Baukosten ist?
Ja gern – also 9,7 Mio waren die Baukosten. Wir haben einerseits einen Kredit aufgenommen und einen Teil auch mit Nachrangdarlehen aus unserem eigenen Kreis vorfinanziert. Und dann gibt es andererseits eben noch den Vermögenspool – teilweise auch von uns Vereinsmitgliedern mitbefüllt –, der macht einen großen Anteil aus! Zuerst war unser Ziel Hälfte-Hälfte. Aber dann ist das mit diesem Vermögenspool so ins Laufen gekommen ...
Habe ich mitverfolgt, ja – was ist da passiert? Also im positiven Sinn :)
Das hab ich mich selbst auch gefragt :) Vor allem, am Anfang war ja nichts da! Es war nichts da! Heute kann jeder sagen, ok da stehen Häuser, und die könnt ihr auch verkaufen wenn ihr das nicht schafft. Aber es war wirklich nichts da. Es ist nur gegangen, weil die erste Gruppe so voller Überzeugung war, und dieser Funke ist übergesprungen. Sie haben innerhalb ihrer Familie und im Freundeskreis alle angesprochen. Und dann ging es schnell ... Christian Lechner hat alle kontaktiert, die in seinen Kursen waren [zu wertschätzender Kommunikation, Anm.]. Und die hatten offenbar ein Urvertrauen. Da gab’s z.B. eine Frau, die hat groß geerbt – sie hat vor zwei Jahren bei ihm einen Kurs gemacht und damals noch um eine Vergünstigung angesucht, weil sie sich den Kurs sonst nicht leisten hätte können. Und nachdem sie geerbt hatte, wollte sie einfach Gutes tun. Und du weißt ja bei der Bank wirklich nicht, was mit dem Geld passiert, wenn du es aufs Konto legst, ob du damit Waffen finanzierst, die in Kriegsgebiete geliefert werden ...
Außer natürlich beim Gemeinwohlkonto :) Wie war es für dich zu merken, das funktioniert ja? Hast du am Anfang dran geglaubt?
Ich war etwas im Zwiespalt. Ich hatte schon bei Markus Distelberger [dem „Erfinder“ des Vermögenspools, Anm.] einen Workshop gemacht, als ich 2017 bei einer anderen Gruppe dabei war. Und ich hab mir gedacht, wenn das funktioniert, ist es super! Aber ich hatte schon auch Zweifel. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, wo man keine Schulden macht. Sondern wo man zuerst spart, bis man sich etwas leisten kann, z.B. das Haus meiner Mutter in Fels am Wagram– das war ganz anders als Hausbauen heute funktioniert.
Aber wie ich dann gesehen habe, dass es funktioniert – schon bevor ich zur Gruppe dazugekommen bin –, dachte ich, was sind das für Menschen? Wie sehr sind die im Vertrauen? Ich meine, es gibt natürlich Leute, die sich mit Geldanlage schon viel auseinandergesetzt haben und wissen, wenn ich in einen Fonds einzahle, kann das Geld genauso den Bach runtergehen. Und dann ist dazugekommen, dass die Banken kaum mehr Zinsen zahlen ... Und überhaupt, wer weiß, wie lang wir den Euro noch haben.
Treiben dich diese Beobachtungen auch an, dich mit der Genossenschaft für Gemeinwohl für einen Wandel im Geld- und Finanzsystem zu engagieren?
Ja genau, so kann man das sagen!
Danke!