„In erster Linie bin ich Mensch, und erst in zweiter Unternehmer!“
„In erster Linie bin ich Mensch, und erst in zweiter Unternehmer!“
Die Bäckereien ächzen gerade besonders unter der hohen Inflation. Gemeinwohl-Ökonom und Bio-Pionier Volker Schmidt-Sköries ist Deutscher, kennt sich aber auch in der Wiener Bäcker-Szene bestens aus. Im Interview beleuchtete Christina Buczko diese spezielle Unternehmerperspektive und erfuhr von einer bemerkenswerten Initiative zur Abdämpfung der Inflation bei Bio-Bäckereiprodukten.
Lieber Herr Schmidt-Sköries, Sie sind Gründer einer der größten Bio-Bäckereien in Deutschland, Biokaiser. Wie gehen Sie mit der aktuell hohen Inflation um?
Bei Bäckereien generell – in Österreich wie auch in Deutschland – ist die Situation momentan so, dass sie durch die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise in Grenzbereiche kommen. Es ist schwierig, Facharbeitskräfte zu finden. Im Biobereich allgemein merkt man ebenfalls Umsatzückgänge – die Menschen gehen in einer Situation wie dieser lieber zum Discounter. Bei Biokaiser unterscheiden wir uns da: Wir haben durch verschiedene Maßnahmen, wie z.B. die Eröffnung neuer Filialen, in den letzten drei Monaten rund 50 Mitarbeiter eingestellt.
Wie viele Mitarbeiter gibt es insgesamt?
Es arbeiten derzeit ca. 330 (Vollzeit, Teilzeit, Aushilfen, Auszubildende), 62% sind unter 40 Jahre alt. Ich bin der Oldie hier :) So kommen z.B. auch gute Management-Leute zu uns, obwohl sie unter Umständen weniger Gehalt im Monat bekommen (ca. 2.000 Euro im Vergleich zu anderen Branchen).
Was sind konkret die Unterschiede zu anderen Bäckereien?
Bei Biokaiser (seit 1976!) ging es uns immer darum, dass wir gesellschaftliche Impulse setzen wollten. Ich habe lange als Trainer und systemischer Coach für große deutsche Unternehmen gearbeitet, hatte allerdings immer spezielle soziale Ideen im Hinterkopf. Heute arbeite ich nur mehr für Freunde mit ähnlicher Haltung oder gesellschaftlich relevante Projekte, wie eventuell demnächst z.B. mit einer Klinik in Lübeck. In der Bäckerbranche waren wir lange Öko-Pioniere, wurden anfangs auch als Exoten betrachtet ... Wir arbeiten ausschließlich mit Biolandbauern zusammen – der Erzeugergemeinschaft Die Kornbauern – und verarbeiten so 2.700 Tonnen Biogetreide im Jahr. Darin arbeiten 60 bis 80 Bauern, denen wir immer den aus unserer Sicht höchsten Marktpreis zahlen wollen.
Wir haben vor drei Jahren ethische Leitlinien verfasst, so begrenzen wir zum Beispiel unseren Gewinn. Ab 5% wird der Gewinn auf die Stakeholder verteilt, und darunter verstehen wir nicht nur die betriebswirtschaftlichen Funktionsgruppen wie Mitarbeiter, Landwirte, Müller, Handelspartner und Kunden, sondern auch Natur und Kultur. Ein Beispiel: Wir haben in der Coronazeit 50.000 Euro an arbeitslose Künstler bezahlt. Wir initiieren Ökoprojekte und fördern auch Sozialprojekte in Afrika. Insgesamt haben wir in den letzten 3 Jahren 1,6 Millionen Euro an Stakeholder verteilt – das klingt nicht nach viel, aber für eine mittelständische Bäckerei ist das viel.
Wir haben dieses Jahr einen Bilanz-Jahresumsatz von etwa 22 Millionen, das ist schon ordentlich für eine Bäckerei :) Der Leistungsumsatz (Umsatz nach Ladenverkaufspreis) liegt bei fast 29 Millionen. Einen Großteil des Umsatzes machen wir über Handelskunden (z.B. Alnatura). Wir haben in den letzten drei Jahren 1,5 Millionen Gewinn erzielt. Davon gehen dann jeweils 30% an ausgewählte Stakeholder.
Sie haben bei Biokaiser einen Weg gefunden, akute Auswirkungen der Inflation abzudämpfen. Können Sie mir mehr darüber erzählen?
Als im Frühjahr plötzlich das Getreide knapp wurde und Bauern und Müller eine Kostenverteuerung auf allen möglichen Ebenen hatten, wurde konventionelles Getreide plötzlich für mehr Geld verkauft als Biogetreide – unerträglich für Biobauern! Also vereinbarten wir Biobäcker im September eine Getreidepreiserhöhung. Damit wir gleichzeitig nicht die Biokunden verlieren, die weniger Geld haben, wollten wir fünf Produkte haben, die wir zum Dauerpreis bis Ende 2023 halten können. Unterm Strich bekamen die Bauern und Müller eine Preiserhöhung von 250.000 Euro mehr im Jahr für alles, nur für die Getreidemenge, die wir für die fünf Produkte für "Unser Brotkorb" brauchen, zahlen wir den alten Preis bis nächstes Jahr. Unser Job war es dann, fünf Produkte auszusuchen, die wir gut herstellen können, und bei denen man mit geringem Ertrag auskommt. Wir werden mit dieser Aktion beweisen, dass Regionalität, Bio und Solidarität eine ganz andere ökonomische Kraft haben können, auch für unsere Kunden!
Ab Dezember können Kunden auch in eine Solidarbox einzahlen. Beispiel: Der Einkauf kostet 3,50 Euro, und jemand bezahlt 4 Euro. Die 50 Cent sammeln wir und geben sie Kunden, die aus der Solidarbox um 10% reduziert einkaufen wollen, weiter. Jeder Stakeholder leistet so seinen Beitrag!
Was bedeutet Gemeinwohl für Sie persönlich?
Als Unternehmer habe ich auch und wesentlich soziale und volkswirtschaftliche Verantwortung. Wir haben schon Bio aus Überzeugung gemacht, bevor es die Bioland- und Demeterverbände gab. Ich bin froh, dass es jetzt eine größere Gemeinwohl-Bewegung gibt!
Danke für das Gespräch!