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Europas Alternativbanken – ein Überblick.

Dienstag, 17. März 2015

Europas Alternativbanken – ein Überblick.

Europas Alternativbanken – ein Überblick.

Gehört „sozialen Banken“ die Zukunft? Können sie ihre ethischen Prinzipien dauerhaft aufrecht erhalten oder müssen sie sich dem Mainstream nähern, um zu wachsen und zu überleben? Und welche Konsequenzen hat das auf ihre Identität? Diesen Fragen hat sich der Social-Banking-Experte Sven Remer am 28. Februar gewidmet, im Rahmen einer internen Weiterbildung für unsere Projektaktiven.

Was macht eine Bank sozial?

Soziale Banken gibt es weltweit immer mehr, rund 36 sind es derzeit – vom „Ecology Building“ mit 19 Mitarbeiter/-innen bis zur mächtigen französischen „Crédit cooperatif“ mit 19.709 Mio USD Bilanzsumme. Gemeinsam ist ihnen, dass Geld Mittel ist, nicht Zweck. Vorläufer des Social Banking waren Sparkassen, die Raiffeisenbank sowie Kirchenbanken wie Monte di Pieta.
Typische Merkmale dieser wirtschaftlich alternativ agierenden Banken sind:

  • Gemeinwohlorientierung
  • Nachhaltigkeitskriterien bei der Mittelverwendung
  • Fokussierung auf die Realwirtschaft anstatt auf spekulative Bankprodukte.

Sogenannte „gute“ Banken unterhalten eine besonders enge Beziehung zu ihren Kundinnen und Kunden und verfolgen größtmögliche Transparenz bei der Mittelvergabe. Auch erzieherische Ziele prägen sie: Die „Reflexionsfähigkeit“ der Kund/-innen zur gesellschaftspolitischen Rolle des Geldes soll gestärkt werden. Die Mittel sollen dabei stets aus der Realwirtschaft kommen, „schmutziges Geld“ – aus Waffenhandel oder Spekulationsgewinnen – ist verpönt. 

 

Wohlfühlbank – im Mittelpunkt die Beziehung

Kunden haben in einigen sozialen Banken Mitbestimmungsmöglichkeiten (eine rechtliche Verbindlichkeit besteht nicht) bei der Verwendung des Geldes: wenn möglich lerne ich als Geldgeber/-in jene Projekte, die ich unterstütze, persönlich kennen. Besonders persönlich kann auch die Betreuung durch den/die Bankmitarbeiter/-in sein, denn Beziehungspflege ist eine wichtige Säule dieser Geschäftsbeziehung, die eben mehr ist als Geschäft.Die Mitarbeiter/-innen sind nicht nur kompetent im Bankengeschäft, sondern idealerweise ebenso ethisch ganzheitlich gebildet. Es herrscht oftmals Transparenz im Entlohnungssystem, die maximale Einkommensspreizung liegt bei 7 zu 1. (Beim Projekt Bank für Gemeinwohl derzeit bei höchstens 5 zu 1).

 

Gesellschaftspolitische Bank

Die Alternativ-Banken verordnen sich selbst strenge ethische Maßstäbe: Steuervermeidung wird abgelehnt und meistens auch der Handel mit Krediten und Derivaten. Gewinne werden in der Regel in soziale und nachhaltige Ziele reinvestiert. Während sich traditionelle Banken als „neutrale“ Finanzintermediäre mit Risiko-Management-Expertise und Gewinninteresse definieren, möchten soziale Institute zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen.

 

Eine rosige Zukunft?

Große soziale Banken wuchsen in den vergangenen Jahren zum Teil mit 20-30% p.a. sehr deutlich – auch während und wegen der Banken-Krise! Sie genießen zunehmend Anerkennung, werden aufgrund ihrer soliden Verankerung in der Realwirtschaft als seriös und vertrauenswürdig angesehen. Dieser Durchbruch ist rezent. Bis vor kurzem galten alternative Geldhäuser als Nische für Philanthrop/-innen und Systemkritiker/-innen. Doch 2012 nannte die Managementberatung zeb das Social-Banking-Modell „wegweisend, da es plausible Antworten auf die anhaltende Banken-Vertrauenskrise und den allgemeinen gesellschaftlichen Wertewandel hin zu Nachhaltigkeit und Transparenz bietet.“

 

Viel unverwirklichtes Potential

In Deutschland haben alle sozialen Banken (GLS, Ethikbank, Triodos, Umweltbank) zusammen bloß 300.000 Kund/-innen. Bei ca. 65 Mio. Wahlberechtigten entspricht das weniger als 0,5% der möglichen Kunden! Eine aktuelle Studie von zeb & Alanus (2012) basierend auf einer repräsentative Befragung von ca. 5.000 Personen offenbart mehr als 16 Millionen Personen Gesamtpotential für Social Banking-Produkte in Deutschland.

 

Geld sucht Sinn

Das krisengeschüttelte Niedrigzins-Umfeld bietet neue Chancen: „Eine zunehmende Zahl an Menschen, für die Nachhaltigkeit wichtig ist, will ihr Geld unter sozialen und ökologischen Kriterien verwaltet wissen. Bei sinkenden Zinsen kann sich dieser Trend sogar noch weiter verstärken. ‚Wenn schon keine Zinsen mehr, dann wenigstens eine Sinn stiftende Geldanlage’ ist da das Motto – und hier sind wir die richtigen Ansprechpartner“, sagte GLS Vorstandssprecher Thomas Jorberg 2014.

 

Wie sich Banken neu erfinden

Besonders die europäische Bankenregulierung trifft soziale Banken hart: Das derzeit in Vorbereitung befindliche Kleinanlegerschutzgesetz schränkt Bürger-beteiligungen an sozialen und ökologischen Vorhaben ein. Eine weitere Bedrohung für Banken geht von der zunehmenden Zahl an Crowdfunding-Plattformen und Zahlungsdienstleistern wie Paypal aus. Viele wesentliche, v.a. Innovationen finden weitgehend außerhalb des Bankenbereichs statt. Banken müssen sich neu erfinden, denn in 10 Jahren wird es das klassische Bankenmodell nach Einschätzung von GLS-Chef Jorberg, 2014 nicht mehr geben. Ein neues Geschäftsmodell, ein neues Selbstverständnis und wohl auch eine neue Legitimierung, nämlich das Übernehmen von gesellschaftspolitischer Verantwortung für die Wirkung von Geld: Dort liegt die Zukunft.

 

Neue Netzwerke der Social Economy

Hier ein Überblick über die wichtigsten Social-Banking-Verbände:
INAISE – International Association of Inverstors in the Social Economy. Ein 1989 in Brüssel gegründeter Förderverband mit derzeit 67 Mitgliedern.
FEBEA – European Federation of Ethical and Alternative Banks, 2001 in Brüssel gegründet, mit aktuell 25 Mitgliedern und einer Bilanzsumme von 1 Mio Euro.
ISB – Institute for Social Banking, 2006 in Bochum gegründet, bietet eine Ausbildung sowie Forschung zu Social Banking, wird von derzeit 13 ethischen Banken und Finanzdienstleistern unterstützt.

GABV – Global Alliance for Banking on Values, gegründet 2009 in Holland, stärkt als alternativer Think Tank und Netzwerkforum das nachhaltige Bankwesen weltweit u.a. durch Netzwerkevents. 28 nachhaltige Banken sind Mitglieder, mit Bilanzsummen von mind. 50 Mio Dollar.

 

Drei soziale Banken im Vergleich:

1. GLS Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken – die Anthroposophische
Die 1974 in Bochum gegründete Genossenschaft mit anthroposophischen Wurzeln finanzierte anfangs hauptsächlich Demeter-Höfe und Waldorfschulen. GLS wächst intensiv. Seit 2012 schüttet GLS einen Teil des Jahresüberschusses an ihre Mitglieder aus, die jedoch in die zeitgleich gegründete GLS Bank Stiftung gespendet werden können. Bei der Kontoeröffnung können die Kund/-innen  Präferenzen für die Verwendung, ihrer Gelder angeben:

  • Ökologische Landwirtschaft
  • Nachhaltiges Bauen
  • Wohnprojekte
  • Regenerative Energien
  • Biobranche und andere Unternehmen
  • Freie Schulen und Kindergärten
  • Gesundheit
  • Behinderteneinrichtungen
  • Leben im Alter
  • Kultur

 

2. ABS Alternative Bank Schweiz – die Entwicklungspolitische

Die 1990 in Olten gegründete Bank steht der NGO „Erklärung von Bern“ nahe und ist aus den Kreisen ökologischer, selbst verwalteter und entwicklungspolitischer Organisationen und Bewegungen entstanden. Sie bewilligt Kredite nach ethischen Kriterien und gewährt günstige Förderkonditionen. Ihr Markenzeichen ist die besondere Transparenz: ABS veröffentlicht die Namen der Kreditkund/-innen sowie den Zweck des verliehenen Geldes - Das machen andere social Banks – wie die GLS Bank – auch.

 

3. Banca Etica – die Zivilgesellschaftliche

Die 1999 in Padua gegründete Bank wird auf breiter Basis von zivilgesellschaftlichen Initiativen getragen. Die Banca Etica fördert den Solidaritätsgedanken zwischen Kreditgeber/-innen und –nehmer/-innen und motiviert ihre Kund/-innen, ganz oder teilweise auf den Zins zu verzichten. Es wird öffentlich über die Kreditvergaben berichtet. Ihre Struktur ist zunehmend dezentral, neben 17 Filialen gibt es auch 25 mobile Banker/-innen im Home Office.

 

Aus wenig mach viel – innovative Geschäftsideen der Alternativbanken
 

  • Leih- und Schenkgemeinschaften
    Durch eine Leihgemeinschaft ist es möglich, gemeinnützige Projekte vorzufinanzieren, wenn sofort ein größerer Betrag (z.B. für ein Bauvorhaben) benötigt wird. Die Mitglieder einer Leihgemeinschaft erklären ihre Bereitschaft, ein Projekt mit einem monatlichen Betrag von z.B. 50,- Euro über einen Zeitraum von maximal 5 Jahren zu unterstützen. Damit geben sie eine Zusage über insgesamt 3.000,- Euro ab. Alle diese Förderer/-innen schließen sich im Sinne einer Solidargemeinschaft zusammen und beantragen — jede/-r für sich – bei der GLS Bank einen Kleinkredit über ihre jeweilige Summe. Jedes Mitglied haftet für die Gesamtsumme, bis diese vollständig getilgt ist.

 

  • Viel Geld für wenig Spesen – günstige Kredite
    Mit der Kostendeckungsumlage (KDU) berechnet die Bank ihren Kundinnen und Kunden lediglich die Selbstkosten sowie einen kleinen Zuschlag für die Abdeckung von Kreditrisiken. 2015 beträgt die KDU bei GLS 2,3%. Möglich wird Kreditvergabe mit Kostendeckungsumlage durch Anleger/-innen, die für ihre Geldanlage anstatt des ihnen angebotenen Zinses die zinslose Variante wählen. KDU-Kredite kommen in der Regel Bildungseinrichtungen und Kulturinitiativen zugute.