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Geld gemeinsam gestalten – mit Johannes Lehner

Portrait Johannes Lehner
Dienstag, 27. September 2022

Geld gemeinsam gestalten – mit Johannes Lehner

Johannes Lehner ist mit seinem Ingenierbüro aquaplan.ing seit Juni 2022 Mitglied der Genossenschaft für Gemeinwohl. Im Interview mit Anna Erber erzählt er über seinen Zugang zum Thema Geld, was er beim Begleiten einer Kindergruppe übers Gemeinwohl mitgenommen hat, und wie er dazu beitragen will, dass engagierte Menschen nicht ausbrennen, bevor sie überhaupt wirklich wirksam werden können.

 

Lieber Johannes, was ist Geld für Dich?

Geld ist für mich Mittel zum Zweck. Man kann es einsetzen, um Gutes zu bewirken, aber auch viel Blödsinn damit machen. Im Grunde ist Geld einfach Energie, die fließen und im Kreis bleiben soll, das ist für mich der Zweck von Geld. Wie dann damit umgegangen wird, liegt dann jeweils an den Personen, die diese Energie – eben in Form von Geld – zur Verfügung haben.

Für mich persönlich ist Geld ein schwieriges Thema, da bin ich wahrscheinlich nicht alleine damit. Geld verbindet man ja mit ganz viel erlerntem Wissen. In der Familie hatten wir immer Geld, es war nie knapp, aber es ist uns trotzdem immer vermittelt worden: aufpassen drauf, zusammenhalten! Das steht im Widerspruch zum Fließen. Für mich ist es ein Lernprozess, dass ich Geld frei lassen muss, und dass man mit Geld Dinge lenken kann. Und dass es meistens auch wieder zurückkommt, wenn man es so einsetzt.

Mit Geld muss man sich also wirklich auseinandersetzen und darüber reden. Wir machen das auch in der Firma so. Wir kommunizieren, wer was verdient, wollen auch Umsatz und Gewinn offenlegen. Das hat natürlich Vor- und Nachteile – und Konfliktpotenzial :) Aber meistens kann man sich alles gut vereinbaren.

Was ist Gemeinwohl für dich?

Gemeinwohl ist für mich ein Zustand, wo es den Menschen und der Umwelt gut geht – so lese ich den Begriff. Wir brauchen diesen Zustand als Menschen ganz dringend: Nicht nur beruflich sieht man, wie die Zeiten immer stressiger und stressiger werden, auch an der Umwelt, den Tieren und Pflanzen, wir haben eine Klimakrise usw. Da braucht es ein Umdenken und eben Gemeinwohl, damit Natur und Mensch wieder in Einklang leben können. Gemeinsam geht es immer besser als einzeln, und jetzt funktioniert das irgendwie nicht, wie wir uns das als Menschheit anscheinend vorgestellt haben :)

Das ist eine berührende Beschreibung ...

Die habe ich nicht selbst erfunden. Ich bin habe mal mit einer Kindergruppe gearbeitet, da ging es um den eigenen Lebensauftrag. Ein Kind, etwa 8 Jahre alt, hat dann meine Kollegin zurückgefragt, was denn ihr Lebensauftrag sei. Sie hat geantwortet, sie will, dass es den Menschen und der Natur miteinander gut geht. Das Kind meinte drauf, das kann es sich nicht vorstellen, das geht ja gar nicht, weil dem Menschen geht es ja nur dann gut, wenn er die Natur zerstört. Meine Kollegin blieb dran: „Wie könnten wir das Miteinander schaffen?“ Und das Kind sagte: „Man muss den Menschen erklären, dass es ihnen noch besser geht, wenn es der Natur gut geht“. So sehe ich das auch.

Wie bist du auf die Genossenschaft für Gemeinwohl gestoßen?

Ich habe relativ jung mit einem Kollegen gemeinsam ein Ingenieurbüro übernommen, heute sind wir bei aquaplan.ing ingesamt zu fünft. Als Chefs ist es uns beiden sehr wichtig, dass wir den Nachhaltigkeitsgedanken mittragen und gemeinwohlorientiert arbeiten. Ich bin einmal im Urlaub in Kärnten über einen Gemeinwohl-Shop gestoßen, und da lagen Infos über das Gemeinwohlkonto auf. Es hat noch eine zeitlang gedauert, aber jetzt haben wir eines! Es passt gut zu unserer Einstellung, zu den Werten und den Zielen, die wir als Personen haben und auch in der Firma Schritt für Schritt verfolgen.

In eure Firma steckst du wohl deine meiste Zeit und Energie?

Ja, mein Hauptberuf ist Ingenieur mit dem Büro, genau. Ich bin aber auch gerade am Aufbauen eines zweiten Berufswegs, weil mir die reine Technik oft zu sehr an Regelwerke und Normen gebunden ist – mir fehlt der Menschenkontakt. So habe ich eine Ausbildung zum Coach und Trainer gemacht und will als Trainer aktivistische Gruppen begleiten, die sich z.B. für Klimaschutz einsetzen. Es gefällt mir, mit Menschen zu arbeiten. Das steckt noch in den Kinderschuhen, aber die Mischung würde inhaltlich passen: Wir arbeiten bei aquaplan.ing im Umweltingenieurbereich jetzt schon sehr viel im Trinkwasserbereich.

Was fällt für Dich unter „aktivistische Gruppen“?

Zum Beispiel fridays for future. Jugendliche, die sich ehrenamtlich engagieren, die demonstrieren gehen, viel Energie und Herzblut investieren – die brauchen auch Unterstützung. Da gibt es ja einige, die sind eher radikaler und gehen demonstrieren, die anderen wollen auch für Klimaschutz mitwirken, haben aber nicht so viel Zeit oder sind lieber zu Hause und wollen nicht ganz vorne stehen, weil sie z.B. Angst haben, was die Nachbarn sagen. Aber jeder erfüllt einen wichtigen Teil, einen wertvollen Beitrag. Da wollen wir beim Bündeln helfen, beim Teambuilding, und auch auf die Einzelnen mit ihren persönlichen Zielen eingehen. Das sind ja oft Leute, die sich voll „reinhängen“ und dann ausbrennen – die brauchen Werkzeuge und eine Balance, um für sich selbst wieder Energie tanken zu können. Das ist ja oft so ein Thema – vielleicht auch in der Genossenschaft für Gemeinwohl? Man engagiert sich und macht gratis, gratis, gratis, und buttert rein. Gerade solche Leute sollten irgendwann auch genug Geld verdienen, um es wieder für etwas Gutes verwenden zu können.

Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: Das ist ein sehr wichtiges Angebot. Ich hoffe gerade, dass dieses Interview auf unsere Mitglieder und andere Menschen inspirierend wirkt! Wie du gesagt hast, mit Geld hat wohl jede*r so die eigene Geschichte.

 

Weil man immer Berührungspunkte hat, ohne Geld kann man praktisch nicht leben.

Danke für das Gespräch!