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Geld gemeinsam gestalten - mit Judith Pühringer

Judith Pühringer
Donnerstag, 4. Mai 2023

Geld gemeinsam gestalten - mit Judith Pühringer

Judith ist heute Stadträtin und Parteivorsitzende der Grünen in Wien. Davor war sie viele Jahre in der Welt der NGOs und gemeinnützigen sozialen Unternehmen tätig. Die Entstehung unserer Genossenschaft hat sie von Anfang an tatkräftig unterstützt, vor ihrem Wechsel in die Parteipolitik war sie auch einige Jahre im Aufsichtsrat. Genossenschafterin und persönlich verbunden ist sie geblieben. Thomas Reichmann hat sie telefonisch für unsere Gesprächsreihe interviewt.

 

Judith, was ist Geld für dich?

 

Oh, das ist eigentlich eine ziemlich große Frage … also der Begriff Geld ist stark emotional aufgeladen. Wir geben Geld viele Bedeutungen, einerseits geht’s immer um Lebensgrundlage, Existenzsicherung, aber auch um Status und Abgrenzung, da entstehen oft Scham und Neid – starke, negativ konnotierte Gefühle – auch so große Themen wie Sicherheit und Freiheit werden schnell in Zusammenhang gebracht. Wir verwenden Geld also in gewisser Weise als Überbegriff für eine Vielzahl hochemotionaler Themen. Ich finde, dass wir eigentlich keinen guten Diskurs in unserer Gesellschaft zum Thema Geld pflegen, das macht’s problematisch. Um wirklich offen über Geld reden zu können, braucht es oft kleine intime Runden – ein Indiz dafür, dass es sich um ein tabuisiertes Thema handelt. Ich selbst komme aus einer Familie, wo recht offen über Geld geredet wurde. Was Menschen verdienen, was meine Mama verdient, was das für „Freiheit“ bedeutet, … das wurde offen darüber gesprochen. Ich denke, diese familiäre Prägung erleichtert es mir, gut über Geld reden zu können – ich merke aber, dass Menschen normalerweise nicht darin geübt sind. Da ich selbst nicht aus einer vermögenden Familie stamme, finde ich es auch sehr spannend, wie z.B. Marlene Engelhorn – auch sehr offen – darüber spricht, wie es ist, in eine Millionärsfamilie hineingeboren zu sein. Ich selbst habe einen ganz pragmatischen Zugang zu Geld – es ist immer Mittel zum Zweck. Das ist die zentrale Frage: Was wollen wir eigentlich damit machen? Das ist für mich der wesentliche Punkt. Du hast anfangs gesagt, diese Reihe heißt „Geld gemeinsam gestalten mit …“ – das finde ich total schön, das ist genau mein Zugang. Also Geld ist etwas, das wir im allerbesten Fall als Gesellschaft, als Gemeinschaft miteinander gestalten – miteinander überlegen, wofür wir es verwenden. Das ist es in Wirklichkeit – das ist die zentrale politische Frage hinter Geld.

 

Und was bedeutet Gemeinwohl für dich?

 

Also wenn Geld Mittel zum Zweck ist, dann ist es einfach: Gemeinwohl ist der Zweck. Ich habe viele Jahre mit armutsbetroffenen Menschen zu tun gehabt – wo jeder einzelne Euro zählt, wo es wirklich um individuelle Existenzsicherung geht. Da ist das Thema noch einmal viel aufgeladener.  Gemeinwohl bedeutet ja ein gutes Leben für alle, also für jeden Einzelnen und jede Einzelne. Diese Spannungen zwischen Individualität und Solidarität muss man sehen und auch aushalten können und gut damit umgehen. Ich möchte hier ergänzen – da hat sich meine Sicht durch die politische Arbeit der letzten Jahre geschärft – es geht um ein gutes Leben für alle innerhalb von planetaren und fossilen Grenzen. Also um die Erhaltung eines ökologischen Systems, das auch noch für unsere Kinder und Enkelkinder ein gutes Leben bereithält. Gemeinwohl ist für mich ein wunderbares Konzept, weil man eigentlich so ziemlich jede Maßnahme, ob im Kleinen oder Großen, gut mit der Frage überprüfen kann: Ist es zum Wohl aller, oder nur einiger weniger? Bestechend einfach und wirkungsvoll. Man müsste es nur konsequent anwenden. Also unser derzeitiges Wirtschafts- und Finanzsystem – und es wird ja immer deutlicher, dass es sehr krisenanfällig ist, und immer wieder ins Wanken gerät – das würde ganz anders aussehen, wenn es weniger auf persönliche Profitmaximierung, und mehr aufs Gemeinwohl ausgerichtet wäre.

 

 

Judith, warum bist du in der Genossenschaft, wie ist deine Beziehung zu ihr?

 

Ich spüre eine fundamentale Beziehung zur Genossenschaft – mit den Grundfesten verbunden, würde ich sagen. Die Initiative hat mich sofort angesprochen, und ich war fast ganz von Anfang an dabei und aktiv engagiert. Der Wunsch nach einem sozial gerechten, nach einem zukunftsfähigen Wirtschafts- und Finanzsystem bewegt mich schon mein ganzes Leben. Ich habe BWL an der WU studiert und mitbekommen, was da teilweise unterrichtet wird. Gelandet bin ich in der Welt der sozialen Unternehmen, die ja das Gemeinwohl in der DNA eingeschrieben haben. Dort habe ich auch 15 Jahre lang diesen Geist von gemeinwohlorientiertem Wirtschaften erlebt und geatmet. Als ich dann auf diese großartige Initiative gestoßen bin, war ich sofort dabei. Und ich habe noch eine ganz persönliche Verbindung, die Geschichte erzähle ich immer wieder gerne. Als ich im Jahr 2014 meine kleine Tochter da war mein allererster Gang wieder auf die Straße hinaus, der zum Notar, um für die Gründung der Genossenschaft zu unterschreiben. Eine Zeit lang war ich ja auch im Aufsichtsrat tätig. Dort bin ich dann wegen meiner parteipolitischen Tätigkeit ausgeschieden. Persönlich - inhaltlich und emotional - bin ich nach wie vor ganz eng mit der Genossenschaft verbunden. Und selbstverständlich noch immer Genossenschafterin.

 

 

Darf ich dich zum Schluss noch fragen, wie es dir gerade persönlich geht, was in deinem Leben wichtig ist?

 

Was mich gerade total beschäftigt, ist der Wandel in unserer Arbeitswelt. Ich merke an mir selbst, dass ich eigentlich viel zu viel Zeit mit Erwerbsarbeit verbringe – die Sehnsucht in anderer Form tätig zu sein – aber auch nach Auszeiten – ist oft groß.. Ich spüre, dass da bei vielen Menschen eine große Sehnsucht da ist, und sehe, dass eine nächste Generation, mit ganz neuen Zugängen, im Kommen ist. Das zu nutzen, um auch politisch etwas auf den Weg zu bringen, das beschäftigt mich gerade sehr.

 

 

Vielen Dank für das Gespräch.