Vermögenspools – Unabhängig und solidarisch wirtschaften
Vermögenspools – Unabhängig und solidarisch wirtschaften
Von Martin Müller.
Der genossenschaftliche Vermögenspool ist ein Werkzeug für solidarisches Wirtschaften, wie der Herzogenburger Rechtsanwalt Dr. Markus Distelberger, der schon seit über 30 Jahren Gemeinschaftsprojekte rechtlich betreut und aufgrund dessen auch den Vermögenspool rechtlich entwickelt hat, erläutert: „Hier fließen die Beiträge von Menschen, Gruppen, Organisationen und Unternehmen zusammen, die ein gemeinschaftliches Wirtschaftsprojekt zur Grundversorgung (Landbau, Hausbau, Soziales, Energie, Mobilität, Betriebsinfrastruktur, ...) unterstützen und womöglich dort auch wohnen und arbeiten. Sie legen Geld, Vermögen und Werkleistungen zinsenfrei zusammen. Der Pool dient dann der Anschaffung von Grundstücken oder Energieanlagen, der Gebäudesanierung usw.“
Parallelen zum Projekt Bank für Gemeinwohl
Der Vermögenspool ist ein alternatives zins- und mietfreies Finanzierungskonzept. Es wird im rechtlichen Rahmen einer Genossenschaft oder eines genossenschaftsähnlichen Vereines auf sozial sinnvolle Weise gemeinschaftlich Vermögen gebildet, in seinem Wert erhalten und gesichert. Die geleisteten Beiträge werden buchhalterisch erfasst, von einer/einem Treuhänder/-in verwaltet und im Grundbuch abgesichert. Es ist kurzfristig möglich, seinen Anteil am Vermögenspool wertgesichert wieder herauszunehmen. Es handelt sich um eine genossenschaftliche, gemeinschaftliche Finanzierungsform, ähnlich jener, die für die Bank für Gemeinwohl geplant ist. Die gemeinschaftliche Finanzierung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gründung der ersten bewusst ethischen Alternativbank in Österreich.
Volle Transparenz der Geldflüsse
Vermögenspools weisen gegenüber der Bankenfinanzierung Vorteile auf, wie Markus Distelberger betont: “Das Innovative am Vermögenspool ist, dass unabhängig vom Bankensystem ein alternativer, zinsenloser, jedoch den Wert erhaltender Vermögenskreislauf geschaffen wird. Einerseits können Menschen laufend Beiträge in den Pool einbringen, andererseits können andere auch laufend aus dem Pool von ihrem Anteil entnehmen. Alle Beteiligten stehen zueinander in einer Beziehung und genießen anders als im Bankwesen volle Transparenz der Abläufe.” Ein Vermögenspool tritt also nicht an Stelle der Eigenmittel, sondern an Stelle der Bankenfinanzierung. Eine vereinbarte Liquiditätsreserve, die auf einem Konto gehalten wird, beträgt üblicherweise zehn Prozent. Für Wohngemeinschaften führt das zu dem wünschenswerten Ergebnis, dass Wohnen ohne Verschuldung bei gleichzeitiger Vermögensbildung möglich ist. Die Finanzierung ist vertraglich geregelt. Beispielsweise könnte ein Vertragspartner einer Wohngemeinschaft eine Finanzierung für mindestens dreiJahre gewähren und könnte danach jeweils zum Quartal – also mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist – sein Geld wieder entnehmen. Bei einigen Projekten wären auch Sachleistungen als Gegenleistung möglich, z. B. ein günstiger Bezug von Gemüse und Obst aus dem Gemeinschaftsgarten.
Entschuldung von Bauern oder Gemeinden mit Vermögenspools?
Weitere mögliche Anwendungsbereiche der Vermögenspools:
• die Entschuldung von (Bio-)Landwirten durch einen aus Konsumenten zu bildenden Förderkreis für (Bio-)Landwirtschaft: Je nach Bedarf kann der Rückfluss der Beteiligung teilweise auch in Naturalien erfolgen.
• die Entschuldung der Gemeinden durch Finanzierung (Entschuldung) der verschiedenen Versorgungs- und Entsorgungsnetze, Energiesysteme, von gemeindeeigenen Sozialeinrichtungen, Schulen, Jugendheimen, Altersheimen etc. durch die eigenen Gemeindebürger
· Der Verein MOVE-Herzogenburg, Sieger des Energy Globe Award NÖ in der Kategorie “Luft”, nutzt den Vermögenspool für den Ankauf eines gemeinschaftlich angekauften Elektroautos, um Kosten und Ressourcenverbrauch zu minimieren. Mittlerweile gibt es im Rahmen des E-Carsharing bereits zwei Autos in Herzogenburg und eines in Traismauer.
· Angewendet werden Vermögenspools auch vom Verein „LebensGut Miteinander“ in Rohrbach an der Gölsen im Mostviertel, der mit dem NÖ Zukunftspreis 2014 in der Kategorie „Soziales und Generationen“ ausgezeichnet wurde. Der Verein organisiert das landwirtschaftliche Klostergut „Edelhof“ als wertebasiertes und nachhaltiges Wohnkonzept mit etwa zwölf Wohneinheiten. Ganz allgemein scheinen die Anwendungsmöglichkeiten der Vermögenspools nahezu unendlich zu sein.
Innovativer Weg für nachhaltiges Wirtschaften
Vorteil von Vermögenspools ist die große Zahl an Menschen, die hinter einem Projekt steht und im Bedarfsfall für einen höheren Zufluss sorgt, um die Liquidität zu sichern. So wird ein großes Netzwerk von Mitgliedern aufgebaut, das einen ausgeglichenen Zu- und Abfluss im Vermögenspool sicherstellt, so Markus Distelberger: “Sein Erspartes im genossenschaftsähnlichen Vermögenspool anzulegen, ermöglicht, verantwortlich und nach ethischen und ökologischen Kriterien zu wirtschaften, eine sehr gute finanzielle Sicherheit zu haben und mit diesem neuen Umgang mit Geld und Vermögenswerten gemeinsam neue, alternative Systeme für ein nachhaltiges Wirtschaften jenseits des Kapitalismus aufzubauen.“
Vermögenspools als zukünftige Kunden einer Bank für Gemeinwohl
Synergien zwischen Vermögenspool-Betreiber/-innen und der Bank für Gemeinwohl sieht Distelberger besonders in zwei Bereichen: erstens beim Start z. B. von gemeinschaftlichen Wohnbauprojekten. Hier braucht es am Anfang große Kapitalbeträge etwas für die Anschaffung eines Areals oder von Gebäuden. Das kann in der Regel durch einen Vermögenspool nicht so rasch finanziert werden, da dieser eine gewisse Zeit braucht und mit der Entwicklung des Projektes Hand in Hand geht. Da ist die Zwischenfinanzierung durch eine ethischen Bank, die mit alternativen Projekten auch umgehen kann, sehr gefragt.
Zweitens braucht jeder Vermögenspool ein Treuhandkonto für das Halten der Liquiditätsreserve, für welches auch eine alternative, gemeinwohlorientierte Bank von den Anleger/-innen, die ja gerade ihr Geld nicht in den üblichen globalen Finanzkreislauf einbringen wollen, sehr gewünscht ist. Auf der anderen Seite würde sich wahrscheinlich eine Bank, die „die Unabhängigkeit vom Bankensystem“ fördert, gerade für alternative Anleger/-innen eine attraktive Profilierung aufbauen, die ihr durch Erweiterung ihres Kund/-innenkreises wieder zugute käme.
Links zu Praxisbeispielen von Vermögenspools:
http://www.gartendergenerationen.net/
http://www.move-herzogenburg.at/
http://www.wohnprojekt-wien.at/en/was-und-wer/das-wp-abc/vermogenspool.html