Wem gehört die Finanzwirtschaft?
Wem gehört die Finanzwirtschaft?
Finanzmärkte haben mehr Einfluss auf das Leben der meisten Menschen, als wir denken. Wessen Interessen stehen dahinter? Du besitzt eine Lebensversicherung? Oder eine private Krankenversicherung? Du sorgst privat für deine Pension vor? Du bist angestellt, und dein Arbeitgeber ist zur Einzahlung in eine Abfertigungskasse oder betriebliche Pensionsvorsorgekasse verpflichtet (in Österreich ist das seit 2003 im Rahmen der 2. Säule des Pensionssystems der Fall)? Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass auch du mehr oder weniger direkt Kund*in eines der großen Finanzkonzerne bist.
Die Gewinner der Krise
Bereits von der letzten großen weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise profitierten die großen Vermögensverwalter wie kaum eine andere Branche. BlackRock, Vanguard und State Street sind, gemessen an Umsatz und verwaltetem Vermögen, die drei größten Unternehmen der Finanzwirtschaft. Das von ihnen verwaltete Geld stammt sowohl von institutionellen Anleger*innen wie privaten Pensionsfonds, als auch von privaten Kleininvestor*innen. Ende 2019 verwaltete BlackRock nach eigenen Angaben ein Gesamtvermögen in der Höhe von rund 7,4 Billionen USD. 2011 war es mit rund 3,5 Billionen USD noch knapp die Hälfte. Im 2. Quartal 2020 verlautbarte BlackRock einen Gewinn von 21 Prozent.
Dimensionen jenseits der Vorstellungskraft
Diesem Zuwachs liegt unter anderem ein rasanter Aufstieg sogenannter passiver Fonds oder Indexfonds zugrunde. Anders als aktive Fonds, die von einer*m Fondsmanager*in verwaltet werden, orientieren sich passive Fonds an verschiedenen Leitindices wie dem deutschen DAX oder dem US-amerikanischen S&P 500. Dabei wird das Risiko für Investor*innen breit gestreut und dadurch verringert. Gleiches betrifft die Verwaltungsgebühren. Angeboten werden diese Indexfonds mehrheitlich von den großen Finanzinvestoren, die in diesem Bereich quasi über ein Oligopol verfügen. Dies führt dazu, dass etwa BlackRock qua seines Umfangs heute der größte Anteilseigner aller 30 DAX-Unternehmen – darunter Adidas, BASF, Bayer, Daimler, Deutsche Bank, Volkswagen und bis vor kurzem Wirecard – ist, und im Jahr 2018 weltweit an 3611 großen Aktiengesellschaften mit mehr als drei Prozent beteiligt war. Seinen Einfluss kann BlackRock laufend durch seine Stimmrechte in den Hauptversammlungen geltend machen. Weitere namhafte Beteiligungen beinhalten u.a. Amazon, Facebook, Alphabet (Google) sowie die großen Rüstungs- und Ölkonzerne.
Wem gehören eigentlich diese großen Vermögensverwalter?
Interessant wird es, sobald man sich die Frage stellt, wem denn nun diese großen Vermögensverwalter gehören. Der Konzern Vanguard, der zweitgrößte der Branche, bildet eine interessante Ausnahme, da er als Genossenschaft organisiert ist. Alle anderen großen Finanzunternehmen gehören, vereinfacht gesprochen: sich untereinander selbst. Der deutsche Journalist Jens Berger zeichnet in seinem 2019 erschienenen lesenswerten Buch “Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen” sehr anschaulich die wechselseitigen Verflechtungen in den Besitzstrukturen nach. Im Fall von BlackRock ist die Frage nach den Eigentümern auf den ersten Blick nicht so leicht zu beantworten, da das Unternehmen selbst eigentlich nur eine Holding ist, die mehrere Tochterunternehmen hat. Firmensitz des Mutterunternehmens ist die US-amerikanische Steueroase Delaware. Der bislang größte Anteilseigner, die PNC Financial Services Group, kündigte im Mai dieses Jahres den Verkauf ihrer BlackRock-Aktien an. Dahinter rangieren weitere Kapitalgesellschaften: Vanguard, State Street, Wellington oder große Banken, wie Bank of America, JP Morgan Chase oder UBS mit Anteilen zwischen einem und sechs Prozent. Firmengründer Larry Fink besitzt lediglich Anteile von weniger als einem Prozent an “seinem” Unternehmen.
Fazit
Die Besitzverhältnisse in der heutigen Finanzwirtschaft sind heute kaum mehr zu durchschauen. Zugleich wächst die Machtkonzentration dort immer weiter. Angesichts der wechselseitigen Verflechtungen der Konzerne untereinander werden dahinterstehende Interessen und insbesondere auch Verantwortlichkeiten immer abstrakter. Wem bzw. welchen Interessen dient dieses Bemühen – um reine „Geldvermehrung“?!
Wer jedenfalls in der Verantwortung steht, sind Parlamente und Verwaltungen, die die Entstehung solcher Strukturen durch Gesetzgebungen und Regelungen in den vergangenen Jahren überhaupt erst ermöglicht haben. Es braucht mehr demokratische Kontrolle und Mitbestimmung, die auch aktiv eingefordert werden muss. Die Finanzwelt ist veränderbar. Sie unterliegt keinen Naturgesetzen, sie ist von Menschen gemacht. „Wir“ haben sie erschaffen – und sei es nur durch Zulassen. Fordern wir von unseren demokratisch gewählten Repräsentaten, in einem ersten Schritt zumindest für mehr Transparenz zu sorgen, welche Eigentumsverhältnisse und damit welche Interessen hinter diesen enorm einflussreichen Institutionen der Finanzwirtschaft stehen. Passen die mit unseren zusammen, die wir verfolgen, wenn wir für ein gutes Leben (vor)sorgen wollen?