Direkt zum Inhalt

Zinsverzicht in der Bank für Gemeinwohl: Wenn Geld Sinn stiftet.

Freitag, 29. Mai 2015 – von

Zinsverzicht in der Bank für Gemeinwohl: Wenn Geld Sinn stiftet.

Zinsverzicht! Dazu wird die Bank für Gemeinwohl (BfG) künftige Kund/-innen einladen. Diese werden auf Sparzinsen zur Gänze oder teilweise verzichten können. Für Bankkund/-innen mag die Aufforderung zum Zinsverzicht provokant klingen, doch zahlreiche ethische Banken weltweit praktizieren ihn bereits und das trifft bei deren Klientel auch auf Akzeptanz.

Überzeugungskraft entfaltet für viele das Argument, dass erst dadurch das Finanzieren von gemeinwohlorientierten Projekten möglich wird. „Freiwillig auf Zinsen zu verzichten und sein Geld sinnvoll veranlagt zu sehen, gibt den Menschen das gute Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und bewirken zu können “, formuliert Robert Moser, Vorstand der BfG Genossenschaft, die Eigentümerin der Bank für Gemeinwohl sein wird.

 

Zinsen als Belohnung – Argumente für Zinsen

Dass Bankgeschäfte auch ohne Gelderträge funktionieren können, widerspricht den klassischen Wirtschaftstheorien, wonach Geld sich durch Zinsen vermehren soll. Jene führen folgende Begründungen für die Wichtigkeit von Zinsen an:

  • Gerechtigkeitsinstrument

Belohnung für Konsumverzicht: Anderen wird das Geld gewinnbringend für Produktionsmittel zur Verfügung gestellt.

  • Risikosteuerungsinstrument

Effiziente Allokation (Risikoverteilung): Durch Spar- und Kreditzinsen wird die effiziente Allokation des knappen Geldes sichergestellt. Kreditzinsen sind umso höher, je riskanter die Investition und je höher die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites ist.

  • Geldmengensteuerungsinstrument

Volkswirtschaftliches Steuerungsargument: Je nach Geldversorgung der Wirtschaft steuert die Zentralbank über den Leitzins indirekt die Geldmenge.

 

Wenn Geld Geld bringt – Argumente gegen Zinsen

BfG-Aufsichtsrat Christian Felber zweifelt jedoch an diesen Begründungen: „Wenn Geld knapp wäre, würden Zinsen Sinn machen. Doch das Finanzvermögen beträgt bald das Doppelte des BIP.“ Außerdem seien Kredite nicht nur von Spareinlagen abhängig. Auch ohne Spareinlagen könnten Banken „Kredite aus dem Nichts vergeben“. Auf Konsum müsse daher nicht immer verzichtet werden. Die höchsten Kapitaleinkommen beziehen die Reichsten. „Multimillionäre und Milliardäre für 'Konsumverzicht' zu entschädigen, gehört in die Kategorie Unterhaltung“, so Felber. Und Risikosteuerung via Zinsen sei nicht falsch, doch wenn nur das finanzielle und nicht auch das ethische Risiko gesteuert werde, könne das dazu führen, „dass die ökologisch und sozial destruktivsten Projekte die günstigsten Kreditkonditionen erhalten: eine volkswirtschaftliche Fehlallokation von Kapital“, so Felber. Das derzeitige Zinssystem verursacht also zahlreiche Probleme:

  • Ungleichheit wird verstärkt

Hauptargument gegen Kapitaleinkommen wie Zinsen und Dividenden ist die ungleiche Verteilung des Finanzkapitals. Kapitaleinkommen verschärfen diese Ungleichheit. Sie wird durch die Steuerpolitik auch nicht ausreichend gedämpft. Zinsen verstärken also Ungleichheit. 

  • Zins forciert Umverteilung nach oben

Kreditnehmer/-innen finanzieren den Betrieb der Bank und die Guthabenzinsen der Spareinleger/-innen. Diese Spesen schlagen sich allerdings im höheren Preis von Produkten und Dienstleistungen nieder. So finanzieren die Konsument/-innen ihre eigenen Sparzinsen. Auf der Guthabenseite bekommt die Mehrheit der Sparer/-innen jedoch nur einen Teil zurück. Geschätzte 80% der Bevölkerung sind in diesem Umverteilungssystem Nettozinsverlierer/-innen, 10% steigen mit +/- null aus. Bloß jene 10% mit großen Finanzvermögen sind Nettozinsgewinner/-innen. BfG-Aufsichtsrat Fritz Fessler moniert: „All das sind gute Gründe, das Zinssystem kritisch zu betrachten, auf Zinsen zu verzichten und diese einem Projekt zu widmen, das dann einen günstigeren Kredit erhält.“

  • Wachstumsdruck

Geld wird durch Kreditvergabe erzeugt und kommt in den Umlauf der Wirtschaft. Um den Kredit zu tilgen und die Zinsen zahlen zu können, muss wiederum mehr eingenommen und mehr zurückgezahlt werden als ausgeborgt wurde. Daraus erfolgt ein steter Zwang zum Wirtschaftswachstum. Wenngleich volkswirtschaftlich etwas anderes gilt: Hier sind hohe Zinsen eher eine Wachstumsbremse – und ein umso kräftigerer Umverteilungsfaktor. Anders erklärt: Nur wenn Kreditzinsen in Hochzinsphasen einen Wert erreichen, wo Kreditnehmer/-innen sich den Kredit nicht mehr leisten können – also nicht mehr den notwendigen Mehrertrag erwirtschaften, um Kredit, Zinsen und Zinseszinsen zurückzuzahlen – dann wirkt der hohe Zins als Wachstumsbremse in einer Volkswirtschaft.

  • Realwirtschaft verkümmert

Auch wird durch dieses System die Kreativität unterbunden, erklärt Genossenschaftsvorstand Robert Moser: „Wenn Geld Geld bringt, geht die Motivation verloren, in die Realwirtschaft zu investieren.“

 

Zinsverzicht als Antwort auf die Bankenkrise

Zinsverzicht ist keine Utopie, sondern wird in anderen alternativen Banken europaweit bereits erfolgreich praktiziert: Bei der kirchlichen Steyler Bank, der deutschen GLS sowie der Schweizer FGB verzichten 10 bis 30% der Kund/-innen auf Gelderträge. Der Erfolg des Zinsverzichtes ist nachvollziehbar, erläutert Fritz Fessler: „Die Menschen spüren intuitiv, dass es mit dem Wachstumsparadigma so nicht weitergehen kann. Zinsansprüche sind ein Wachstumstreiber. Freiwilliger Zinsverzicht ist ein plausibler Ausweg aus der aktuellen Banken- und Sinnkrise. Er kommt dem Großteil der Bevölkerung zugute und sorgt indirekt für Umverteilung von oben nach unten.“ Oder, um mit den Worten von Caritas Präsident Michael Landau – Konfuzius paraphrasierend – zu sprechen:  „Reichtum ist wie Mist: Wenn er auf einem Haufen ist, stinkt er, wenn er verteilt wird, sorgt er für blühende Wiesen.“

 

Zinsverzicht konkret in der Bank für Gemeinwohl

Sparer überzeugen
Langfristiges Ziel der Bank für Gemeinwohl ist, dass sämtliche Sparer/-innen Zinsverzicht leisten, damit das Zinsniveau für Kreditnehmer/-innen gesenkt werden kann und der Umverteilungseffekt endet. Um die Verwaltungskosten der Bank decken zu können, soll lediglich eine Verwaltungsgebühr in Form eines Fixzinses von 2 bis 2,5% verrechnet werden. In der Anfangsphase der Bank erhofft man sich Zinsverzicht bei geschätzten 20% der Kund/-innen, weil diese aus dem Kreis der Genossenschaftsmitglieder kommen werden. Diese Bankunterstützer/-innen haben zuvor ja schon die Bereitschaft gezeigt, unverzinste Genossenschaftsanteile zu erwerben. 

Jene Einleger/-innen, die nicht verzichten möchten, erhalten einen marktüblichen Zins. Die Einladung zum Zinsverzicht soll routinemäßig bei jeder Beratung ausgesprochen werden. Hält man sich das aktuelle europäische Zinsniveau vor Augen, bedeutet Zinsverzicht derzeit kein großes Opfer. Sollte das reale Zinsniveau steigen, entsteht ein (Schein-)Konflikt aus Ethik und Eigennutz. Die Bank für Gemeinwohl wird ihre zukünftigen Kund/-innen darüber aufklären, dass ihr Zinsverzicht die Kreditkosten senkt, Verteilungsgerechtigkeit fördert und Unabhängigkeit vom Markt schafft. 

Kreditnehmer/-innen begünstigen
Was kommt auf die zukünftigen Kreditnehmer/-innen der Bank zu? Neben dem Prüfen wirtschaftlicher Faktoren sowie des Ausfallrisikos müssen Kreditnehmer/-innen Gemeinwohlkriterien wie Nachhaltigkeit, Transparenz etc. erfüllen. Diese wichtigen Werte werden auch durch ein Gemeinwohlaudit evaluiert. Je vollständiger die Gemeinwohlkriterien erfüllt sind, desto geringer der Zinssatz. Besonders förderwürdige Projekte können dadurch einen noch günstigeren Zinssatz als die festgelegten 2 bis 2,5% erhalten.

Ein Teil der Gewinne der Bank wird diesem Zweck dienen. Auch sollen Sparer/-innen bei der Bank für Gemeinwohl ihren Zinsverzicht direkt einzelnen Projekten widmen können. In Diskussion ist ein flexibles Kreditzinsmodell auf freiwilliger Basis: Wer höhere Kreditzinsen zu zahlen vermag, kann dadurch Kredite für gemeinwohlfördernde Unternehmen subventionieren.

Gewinn durch Zinsverzicht

Zinsverzicht bewirkt nicht nur Umverteilung, sondern auch Sinngewinn. „Zukünftigen Kund/-innen der Bank für Gemeinwohl ist der Sinn wichtiger als die Finanzrendite“, ist sich Christian Felber sicher. „Die Menschen suchen bei uns nach ethischer Kohärenz und wollen diese Vision auch gelebt sehen.“

 

Dreifachrendite durch Zinsverzicht

Felber definiert eine Dreifachrendite, die durch Zinsverzicht fließen kann.

  • Sinnrendite:

Eine Unternehmung kann mehr oder weniger Sinn stiften und dem Gemeinwohl dienen. Auf einer Skala von 1-10 wird evaluiert, inwiefern ein Produkt oder eine Dienstleistung Grundbedürfnisse befriedigt. Beispielsweise sichert eine lokale Saatgut-Zuchtanstalt die Ernährungssicherheit und -souveränität aller.

  • Nutzwertdividende

Wenn die Produkte und Dienstleistungen auch selbst in Anspruch genommen werden können, steigt die Lebensqualität, wie z.B. bei Biogemüse, Computer-Software, Reparatur-Dienstleistungen oder Senior/-innenbetreuung. 

  • Ethikdividende

Unternehmen sollen nicht nur sinnvolle Produkte und Dienstleistungen anbieten, sondern auch ethisch handeln. Weder sollen sie gegeneinander in Konkurrenz treten, noch Löhne drücken, noch Frauen diskriminieren, um Beispiele zu nennen. Die Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung fordert eine gesetzlich verbindliche Gemeinwohl-Bilanz. 250 Unternehmen haben sie bereits freiwillig erstellt.

 

Eine neue Bank macht Politik

Im Rahmen der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse steigen jene, die auf Zinsen verzichten, schlechter aus. Auch den inflationsbedingten Wertverlust des Geldes vermag Zinsverzicht derzeit nicht zu dämpfen. Man muss es sich daher leisten können, auf Zinsen zu verzichten. “Wir verstoßen mit der Aufforderung zum Zinsverzicht heute gegen das geltende Paradigma des Kapitalertrages“, meint Genossenschaftsvorständin Christine Tschütscher. Es sei daher notwendig, „darüber aufzuklären, dass der Großteil der Bevölkerung Nettozinsverlierer/-innen sind.“

Außerdem werde es Signalwirkung haben, wenn 30.000 bis 40.000 Genossenschafter/-innen Kapital in einer angestrebten Höhe von 15 Millionen Euro unverzinst bereitstellen. Fritz Fessler schließt: „Die Bank für Gemeinwohl ist ein in Österreich einzigartiges Projekt, das die Einstellung zu Geld breitenwirksam und nachhaltig verändern soll.“